Johannes
Müller

MEDIATIVER UMGANG MIT FARBEN

Der Maler Johannes Müller in Kossow wurde am 13. April 75 Jahre

Wer damals als Rostocker Theologiestudent an den legendären Güstrower Einkehrwochenenden mit dem Theo­logen Peter Heidrich, dem Tänzer Manfred Schnelle und dem Maler Jo­hannes Müller teilgenommen hat, weiß noch lange davon zu berichten. Kein Wort sprechen. Sich suchen. Und schweigen. Jener breitete dafür den theologischen Teppich aus, die­ser war für das liturgische Tanzen verantwortlich und letzterer animier­te die Teilnehmer zum meditativem Umgang mit ihren Wahrnehmungen in Farben und Formenspiel.

„Es macht Spaß, wie die Urmen­schen zu entdecken, wie und womit man malen kann“, erklärt Müller sei­nen Ansatz. Wie er es selbst in seinem Atelier in Kossow, dem kleinen Dorf zwischen Rostock und Laage, tut. Dort experimentiert der Künstler näm­lich gerne mit Vorgefundenem: mit Kaseinleim z.B., also aus Quark und Salmiak hergestelltem Bindemittel. Holzasche erhält damit einen silbrigen Grauton, der Rest der Braunkohle da­gegen ein mehr sattes Braun. Zersto­ßene Ziegel bringen das typische Zie­gelrot. „Ich habe das zufällig für mich entdeckt, weil ich damit umgegangen bin. Binde ich aber die Asche mit Fir­nis, wird die Farbe dunkler.“

Müller sucht nicht, er stößt auf Ver­borgenes. Auf Materialien. Auf Klän­ge der Welt. Auf Harmonien. Auf Dis­sonanzen. Mit seinen Entdeckungen arbeitet er dann gezielt weiter. Doch ganz bewußt gefühlsmäßig und noch nicht kopfgesteuert. In einer Gefaßt­heit, die aus dem Körper kommt. Auch so entstehen imposante künstlerische Werke: im besten Sinne in-formelle, also ohne eindeutige Form geborene. „Es reicht, wenn man spürt: das hat was!“ beschreibt Johannes Müller die­se Malweise. „Das ist ja nicht billig gemeint. Sondern das heißt, es spricht irgendwie zu mir.“ Mystisch. Aber Mystik und Konstruktion stehen sich nicht unversöhnlich gegenüber.

Eine geplante Wirkung braucht eine zuvor bewusst gesetzte Ursache. Das weiß der Pfarrerssohn noch vom stren­gen Gottesdienstaufbau seines Vaters. Und auch als Restaurator von Dorfkir­chen musste Müller die Handwerks­kunst der alten Künstler begriffen ha­ben. Bis in den Wortsinn: so, wie zur Zeit, um den Mitteln des barocken Baumeisters J. Balthasar Neumann näher zu kommen, er sich das Modell der Abteikirche von Neresheim nach­baute. Eine ziemlich kalte Konstrukti­on, entseelt von allem schönen Schein. Alleine, um die Bauteile begreifen zu können. Um Lehrling von barocker Bauweise zu werden. Also um hinter das Geheimnis zu dringen, das das sinnliche mystische Erleben erst pro­voziert. Und Müller erkennt: Der Ba­rock förderte absichtlich im Bauplan das Unklare. Um die menschliche Lo­gik zu stören. Märchenhaft. „Man wollte zeigen: was von Gottes Seite, vom Himmel kommt, vom Jenseiti­gen, ist nicht mehr berechenbar. Und schon gar nicht mit rationaler Logik zu fassen. Der Betrachter kann nur verwirrt aufschauen - und bewun­dern.“ Mit allen Sinnen.

Heute entstehen viele Bildwerke des Malers nach diesem barocken Prinzip: scharf konstruiert, aber dann bewußt nichtlogisch verfremdet. Die Haltung macht's, lernt der Besu­cher in Kossow: wer sich ganz tief in sich selber versenkt, findet plötzlich die Verbindung zum Eigentlichen. Oder, wie es Peter Heidrich seinen ein­kehrenden Schülern mit auf den Weg gab: ihr müßt „fährtig“ sein, wenn ihr beginnen wollt. Also mit Leib und See­le vorbereitet sein auf die kommende Fahrt. Nicht ein Jota weniger bedeutet es, wenn die Bibel spricht: Mache dich auf!, sei fertig - und dann fahre wohl. Als Gesegneter des Herrn!

von Christian Fehlandt
Quelle: Kirchenzeitung MV

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